Mittwoch, 15. Februar 2017

Meine Meinung zu "Casting JonBenet"

Genre: Eine sonderbare Mischung zwischen Fiktion und Dokumentarfilm. Auf der Berlinaleseite heisst es dokumentarische Form.
Empfehlung: zwiespältig; der Film zeigt a) wie vielschichtig Menschen sind und b) … JonBenet wird meiner Meinung nach wieder benutzt.

Inhalt: Der Fall JonBenet bildet den Hintergrund für diese Dokumentarische Form. Ich muss an dieser Stelle mal aus den Berlinale Beschreibung zitieren: "... Der ungeklärte Tod der sechsjährigen Schönheitskönigin JonBenet Ramsey bewegt seit 20 Jahren die amerikanische Öffentlichkeit. Unter dem Vorwand, geeignete Darsteller für einen geplanten Spielfilm über den rätselhaften Fall finden zu wollen, lädt Kitty Green alle ein, die in deren Heimatort in Colorado Kontakt zur Familie Ramsey hatten. In den Probeaufnahmen offenbaren die unterschiedlichen Protagonist*innen ihre Version der Wahrheit, die im Verlauf des Films zunehmend komplexer wird. Den dokumentarischen Teilen, gedreht am Filmset, werden die sorgfältig inszenierten Spielfilmszenen entgegengesetzt, bis sich die verschiedenen Darstellungen zu einer Wahrheit zu verbinden scheinen. … 
Alsoooo …. "alle die Kontakt zur Familie Ramsey hatten" …. stimmt schon mal nicht. Alle Protagonisten sind aus Boulder,Colorado und natürlich hat der Fall in der Gegend hohe Wellen geschlagen. Aber das ist es erstmal. "Sorgfältig inszenierte Spielfilmszenen" … mmh .. 3 mal 2 Minuten vielleicht … und "zu einer Wahrheit zu verbinden" stimmt auch nicht.

Der Film besteht aus einer Abfolge von Szene und Befragungen, die im Rahmen eines Castings für die Rollen von Patsy Ramsey (Mutter), JonBenet Ramsey(Tochter und Opfer), John Ramsey (Vater), Burke Ramsey (Bruder) und einige andere erfolgen. Diese Personen sprechen in der jeweiligen Rolle vor, danach erklären sie die Art und Weise, wie sie vorgesprochen haben, mit ihrem persönlichen Bezug zum Fall JonBenet. Das ist sehr lehrreich. Frauen berichten z.B. von ihren eigenen Versuchen eine Schönheitskönigin zu werden oder von Missbrauchserfahrungen mit Verwandten oder von der eigenen Erfahrung mit  Gewalt, weil der eigene Bruder ermordet wurde oder von der Empörung über die Vorverurteilung von Patsy Ramsey in den Medien. Die anderen Figuren agieren genauso und zeigen sich nicht weniger vielfältig. Und schon bald ist es nicht mehr ein Film über den Fall JonBenet und das kranke System der Kinder-Schönheitswettbewerbe sondern, vor mir liegt ein Kaleidoskop der amerikanischen Gesellschaft. In diesen Momenten ist der Film extrem stark und gut. Die Menschen in Boulder, die hier als Laienschauspieler tätig werden wollen, sind so berührt von dem Fall und behutsam, wie sie sich ihren Rollen annähern.
Dann hat der Film noch eine andere Seite. Stellenweise fühlte ich mich wirklich manipuliert. Es werden einfach immer wieder Emotionen aufgedrängt, wenn der Schauspieler für den vermeintlichen Täter, gerade derjenige ist, der am sonderbarsten wirkt, wenn ein SM-Fan für die Rolle als Police-Officer vorspricht, entsprechend abstossend wirkt und dann später derjenige ist, der klar benennt, „Leute, hinsehen. Die Verletzung im Genitalbereich belegen ein Sexualverbrechen". Oder wenn die Variante diskutiert wird, dass ihr Bruder ihr die Kopfverletzungen beigebracht hat(und ob, das überhaupt möglich ist) und ein paar Szenen später sieht man die möglichen Darsteller des kleinen Bruders mit einer Taschenlampe auf eine Melone dreinschlagen. An schlimmsten dann das letzte Bild und die Erklärung der Regisseurin hierzu: Ein kleines Mädchen im sexualisierten Vegas-Outfit singt und tanzt. Das habe sie gewählt, sagt die Regisseurin, um JonBenet zu ehren. Es sei das Kostüm und der Song mit dem JonBenet im Internet berühmt geworden ist und sie wollte, dass die kleine JonBenet, dass letzte Bild hat. … Was für ein Hohn, die Tat geschah 1996, ca. 10 Jahre vor dem ersten iPhone. Ihre Berühmtheit im Internet hat also ganz sicher nichts, aber auch gar nichts mit JonBenet zu tun.